Zeitreise in die 60er Jahre: Spiel vs. Derby County

Als Wacker dem späteren englischen Meister alles abverlangte

(wh) - Im 20. Teil unserer Zeitreise drehen wir das Rad zurück in in die 60er-Jahre, als der FC Wacker dem englischen Zweitliga-Meister Derby County vor 2700 Zuschauern in einem Freundschaftsspiel alles abverlangte und nur 0:3 (0:1) unterlag. Worauf die Lokalzeitung glaubte, die Briten würden sich in dieser Form nicht mehr als ein Jahr in der ersten englischen Divison (heute: Premier League) halten. Was nicht passierte: Derby County behauptete sich und holte 1972 und 1975 sogar die Meisterschaft im Oberhaus auf der Insel. Der Vater des Erfolges hieß Brian Clough: Der Manager und legendäre Sprücheklopfer ("Ich würde nicht sagen, dass ich der beste meiner Zunft war. Aber ich lag vor Platz zwei.") war auch seinerzeit in Biberach dabei.  

Von dem Match des FC Wacker gegen Derby County im Biberacher Stadion berichtete die SZ im Juli 1969:

Das Spiel gegen Derby County spülte nicht das erhoffte Geld in die Wacker-Kasse: 2700 zahlende Zuschauer brachten aber so viel, dass sich das Defizit im Rahmen hielt. Das aufziehende Gewitter am Nachmittag hatte bestimmt viele potenzielle Zuschauer abgehalten. Andererseits hielt das Wetter zum Glück, so dass fast alle trocken nach Hause kamen.

Die Kritik am sportlichen Teil des Spiels muss differenziert werden: Derby County zeigte abgesehen vom guten Einsatz mittelmäßiges deutsches Regionalliga-Format (damals 2. Liga, Anm. d. Red.): Das vorausgegangene 3:3 bei Fortun Köln - 12. Platz in der letzten Saison der 2. Liga - spricht gleichfalls für diese These. In dieser Form wird sich Derby County nicht mehr als ein Jahr in der ersten englischen Division halten. Ein britischer Sportreporter sagte uns in der Pressekabine aber, Derby habe in der letzten Saison hervorragend gespielt, die Mannschaft könne wesentlich mehr als sie an diesem Dienstagabend gezeigt habe. Wahrscheinlich habe die Vereinsleitung die Devise ausgegeben: Gegen die Amateur-Elf von Wacker nicht zu hart zu spielen, um Verletzungen zu vermeiden.      

Im Ansatz sah man zweifellos das Können der Engländer. Leider sparten sie an den gefürchteten Torschüssen. Die relativ wenig guten hielt Wacker-Torhüter Vogelgesang bis auf einen sicher und reaktionsschnell. Derby kam so nur selten an die spielerischen Qualitäten heran von Gladbach, Bayern München und HSV, die in den Jahren zuvor in Biberach jeweils gegen die TG gespielt hatten. Daher gab es kein hohes Ergebnis.

Der gesamten Wacker-Elf gebührt ein Sonderlob, dass sie sich voll eingesetzt und eines ihrer besten Spiele geliefert hat. Sie betrat mit dem festen Willen das Spielfeld, nicht zu gehetzten Hasen und lächerlichen Torempfängern zu werden. Sie steigerte sich unglaublich. Wohl schwamm die Abwehr zeitweise ganz gewaltig - wie könnte dies auch anders sein - aber im gesamten stand sie stabil und überraschend selbstsicher das ganze Spiel durch. Der Sturm war nicht schlecht, konnte aber durch die Sicherheit der gegnerischen Abwehr nicht zur gewohnten Form aufsteigen.

Überraschend gut schlugen sich die Neuzugänge des FC Wacker: Kolip, Doll, Giray und Oschwald. Am besten gefiel uns Müßler, der nie die Übersicht verlor und seine Gegenspieler immer wieder durch seine Tricks und faire Härte den Schmeid abkaufte. Er imponierte auch den Engländern, die ihn und Torhüter Vogelgesang als beste Gegenspieler nannten. Der hielt auch bombensichere Schüsse, so dass ihm an der Niederlage keine Schuld zu geben ist.

Das 0:3 ist ein sportlicher Erfolg und hat Wacker bei hiesigen Fußball-Interessenten wahrscheinlich viele Freunde eingebracht, die von der Leistung angetan waren. Dass Spielertrainer Pfitzner nach der Pause ausgewechselt wurde, war ausgemacht, denn gerade Pfitzner erfüllte die Erwartungen voll. Gleichwohl gefiel uns Renner, obwohl er - wie bekannt - leicht zum Resignieren neigt. Gerster und Kosubek spielten aufopferungsvoll. Auch Herre hielt gut mit.

Gefallen hat uns auch Regionalliga-Schiedsrichter Schraivogel (Biberach/Rissegg), der das faire Spiel immer fest in der Hand hatte. Er war zudem der schnellste Mann auf dem Platz.

Nach dem Spiel trafen sich Gastgeber und Gäste zu einem gemütlichen Beisammensein im "Biber". Die englischen Profis bekamen ihren freien Abend und nützten ihn bei einer Bombenstimmung auch aus. Entgegen dem vorausgegangenen Spiel in Köln, wo sich Fortuna recht wenig um die Engländer gekümmert hatte, waren Spieler und Begleiter von Derby angenehm angetan über die Gastfreundschaft und Organisation von Wacker.

Am Sonntagabend waren die Gäste von Biberachs Oberbürgermeister Claus-Wilhelm Hoffmann begrüßt worden, zudem von Anton Hummler, Wackers zweitem Vorsitzenden.

Anmerkung des Chronisten, der damals als "Fremdenführer" für die Engländer fungierte: Der Derby-Tross logierte damals ein paar Tage im (mittlerweile abgerissenen) "Goldenen Rad". Dabei erwiesen sich die Verantwortlichen des Klubs bei ihren abendlichen Zusammenkünften als überaus fest - und trinkfreudig. 

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